Begrüßung interkulturell: Ist der feste Händedruck „normal“?
„Dem kann ich nicht vertrauen!“ sagen deutsche Teilnehmer*innen unserer interkulturellen Trainings, wenn wir die Händeschüttelübung machen. Bei dieser Übung gibt jemand ihnen die Hand nur ganz leicht, fast ohne Händedruck und schaut dabei woanders hin. Dieses Verhalten steht genau im Gegensatz zur deutschen Begrüßung. „Gib schön die Hand und schau‘ in die Augen!“ haben viele deutsche Kinder als Leitsatz für gutes Benehmen gelernt. Ein fester Händedruck und der offene Blick vermittelt vielen Deutschen Vertrauen und Zuverlässigkeit. Das ist unsere Kultur, so macht man es hier.
Schwer vorstellbar, dass so elementare Dinge wie Begrüßungen in anderen Kulturen genau anders herum sein können. Gutes Benehmen bedeutet zum Beispiel für viele Menschen im Nahen Osten oder Asien einen leichten oder gar keinen Händedruck und kaum Blickkontakt.
Wenn die Begrüßung fremd ist, erzeugt das stets hohe Irritation, bei allen!
Durch die Händeschüttelübung im interkulturellen Training spüren die Teilnehmer*innen, wie Kultur unbewusst unsere Erwartungen, sowie unser Denken und Wahrnehmen prägt. Vertrauensaufbau gelingt mitunter in Sekunden und kann auch genauso schnell zerstört werden, zum Beispiel durch Fehlinterpretation von Körpersprache. Daher ist der unbewusste Teil von Kultur besonders im Fokus des interkulturellen Trainings, die hier schlummernden Annahmen und Erwartungen wollen wir bewusst machen. In der interkulturellen Zusammenarbeit sind viele Dinge, die man für normal hält eben nicht normal!
Um die Wirkung von Kultur auf den Menschen zu veranschaulichen, arbeiten wir gern mit Bildern. Das am häufigsten verwendete Modell ist wohl der Eisberg. Seine Anwendung auf Kultur wird häufig Edgar Schein zugeschrieben, aber auch andere benutzten den Eisberg schon vor ihm um bewusste und unbewusste Elemente von Kultur herauszuarbeiten.
Der größte Teil des Eisbergs ist unter dem Wasserspiegel und auf den ersten Blick nicht sichtbar. Genauso kann man auch nur einen kleinen Teil der Kultur sehen. Sichtbare Bestandteile von Kultur sind Dinge, die man tatsächlich anfassen, fühlen oder sehen kann: Kleidung, Essen, Architektur, aber auch Sprache, bestimmte Rituale (zum Beispiel Begrüßungen) – diese Ebene ist uns überwiegend bewusst. Sie lässt sich beobachten und eine Anpassung ist in diesem Bereich relativ leicht möglich.
Der untere, verborgene Bereich des Eisbergs steht nun für die Bereiche von Kultur, die uns weniger bewusst sind, die jedoch all unser Handeln beeinflussen: unsere Werte, Überzeugungen, unsere Weltanschauung, Normen, Traditionen und Tabus. Manches können wir benennen, manches ist uns aber so tief in Fleisch und Blut übergegangen, dass es uns nicht möglich ist, es bewusst zu beschreiben. Zwischen bewussten und unbewussten Kulturelementen gibt es viele Verbindungen, Werte prägen auch viele bewusste Kulturelemente, wie den festen Händedruck, der mit Zuverlässigkeit assoziiert wird. Wir erwarten unbewusst, diese Dinge als ganz normal überall anzutreffen. Kulturelle Konflikte treten in der Regel auf, wenn zwischen unbewussten Faktoren Reibung entsteht.
Unsere Tipps für die interkulturelle Zusammenarbeit:
1. Reflektieren Sie Ihre eigene kulturelle Prägung.
2. Bewerten Sie Dinge, die Ihnen fremd erscheinen, nicht sofort. Beobachten Sie!
3. Sprechen Sie mit den anderen über die kulturellen Unterschiede.
Sind Sie fit für die interkulturelle Zusammenarbeit? Erfahren Sie mehr zum Thema interkulturelles Ländertraining!