„Wo kommst du eigentlich her?“
Deutschland ist bunt: Viele Menschen, die hier leben, stammen ursprünglich aus anderen Ländern und entsprechen nicht dem/der „typischen Deutschen“. Véronique erlebt es im Alltag häufig, dass sie auf Grund ihres Äußeren angesprochen wird.
Wer dunklere Haut hat oder einen ungewöhnlichen Namen besitzt, wird öfter gefragt: „Wo kommst du her?“. Und eine Antwort wie „Ich komme aus Flensburg.“ zieht in den meisten Fällen einen Nachsatz mit sich: „Nein, ich meine wirklich.“ oder „Und woher kommen deine Eltern?“.
Für Véronique sind diese Erlebnisse, gerade wenn sie sich ständig wiederholen, mehr als unangenehm: „Vor kurzem war ich auf einer internationalen Konferenz. Ich weiß gar nicht, wie oft ich nach meiner Herkunft gefragt wurde, und an einem Ort mit internationalem Austausch hätte ich das nicht erwartet. Andere Teilnehmende haben mir während der Konferenz Ähnliches berichtet, und das fand ich in diesem internationalen Umfeld irgendwie absurd. Die Fragenden denken sich aber in der Regel nichts dabei.“
Oft wird die Frage aus ehrlichem Interesse gestellt, mit der Absicht, den anderen Menschen besser kennen zu lernen. Diese nett gemeinte, freundliche Frage nach der Herkunft wird als ein guter Einstieg in den Small Talk gesehen. Doch für die Gefragten kann dies unangenehm sein. Egal in welchem Zusammenhang – ob beruflich oder privat, professionell oder informell – viel zu oft ist die (vermeintliche) Herkunft das erste Thema, auf das sie angesprochen werden. Véronique hat einen pragmatischen Umgang damit gefunden: „Manchmal mache ich mir einen Spaß und antworte dann zum Beispiel: Brasilien. Das glauben die Leute dann sofort.“
„Du bist nicht wie wir!“
Bei der Frage handelt es sich hier tatsächlich um eine Form von Alltagsrassismus. Denn die Frage kann von Betroffenen anders wahrgenommen werden. Bei Rassismus geht es eben nicht darum, wie etwas gemeint ist, es geht darum, wie etwas erlebt wird. Rassismus ist nicht nur der tätliche Angriff oder die Schmiererei auf der Hauswand. Er ist auch unbewusste Ausgrenzung, die deutliche Markierung der Differenz zwischen „uns“ und „den anderen“. Es ist nicht die Absicht, die zählt, sondern wie es bei den Betroffenen ankommt.
Die Frage „Woher kommst du eigentlich?“ zeigt der gefragten Person, dass sie als fremd wahrgenommen wird – „Du bist nicht von hier, das sehe ich. Sag mir daher, woher du kommst.“ Erlebt man solche Momente immer und immer wieder, wächst das Gefühl, nicht wirklich dazu zu gehören. Véronique ist nicht allein mit ihrem Unwohlsein. Auch wenn viele Unternehmen sich nach außen mit ihrer diversen Belegschaft präsentieren, ist die interne Unternehmenskultur oft noch von alten Vorstellungen geprägt, wer dazu gehört und wer nicht. Véronique: „Ich möchte in einem Umfeld arbeiten, in dem ich als Mensch wertgeschätzt werde. Meine Herkunft hat damit doch nichts zu tun!“
Noch immer keine Chancengleichheit
In Deutschland spielt die Herkunft immer noch eine wichtige Rolle für den gesellschaftlichen Erfolg. Véronique ist sich dabei bewusst, dass sie eine Reihe von gesellschaftlichen Privilegien besitzt: „Meine Haut ist vergleichsweise hell, mein Vorname ist Französisch, der Nachname Deutsch – an und für sich nicht ungewöhnlich, und zudem werde ich als Frau weniger als ‚Gefahr‘ wahrgenommen als eine männlich gelesene Schwarze Person.“ Menschen mit dunkler Haut oder ungewöhnlichen Namen haben meist geringere Bildungschancen und es für sie schwieriger, eine Wohnung oder einen Job zu finden. Im Arbeitsleben müssen sie oft mehr leisten, um die gleiche Anerkennung zu erlangen, wie ihre Kolleg*innen.
Ein Klima der Akzeptanz schaffen
Erst, wenn Menschen um ihrer selbst willen akzeptiert werden, können sie erfolgreich sein – und mit ihnen das Unternehmen. Véronique stimmt zu: „Ich möchte nicht auf mein Aussehen beschränkt werden, denn ich bin so viel mehr als meine Herkunft, und meine Motivation ist, meine Arbeit gut zu machen.“
Darum ist es wichtig, in Unternehmen ein Klima der Akzeptanz zu schaffen, wo Vielfalt wertgeschätzt wird. Egal, ob oder welche familiäre Zuwanderungsgeschichte jemand hat.
Diversity Trainings sind hier ein wichtiger Baustein. Sie bauen unbewusste Vorurteile ab und schaffen ein Bewusstsein für die eigenen Privilegien. Außerdem helfen sie dabei, Alltagsrassismus aufzudecken und so eine nachhaltige Willkommenskultur zu entwickeln.
Weiterführende Literatur zum Thema finden Sie hier:
- Mediendienst Integration: Bevölkerungsstatistiken
- Statistisches Bundesamt: Bevölkerung in Privathaushalten nach Migrationshintergrund
- Bundeszentrale für politische Bildung: Rassismus
- Bundeszentrale für politische Bildung: Ethnische Bildungsungleichheiten
- Süddeutsche Zeitung: Diskriminierung nach Herkunft bei der Bewerbung